Im 2. Obergeschoß des Museums hängen mehrere Aktstudien von Heidy Stangenberg -Merck, die sehr beachtenswert sind. Zeitlich sind dabei 2 farbige Aktstudien von 1948 der Phase ihres Münchener Akademiestudiums von 1943- 1950 zuzuordnen. Beide Aktfiguren, eine direkte Rückenansicht und eine dreiviertel Rückenansicht, sind in ihren anmutigen Haltungen weich modelliert mit abgestuften Ölfarben, bieten Lichtreflexe durch feine Schattierungen und eine überzeugende Anatomie mit einer schönen Weiblichkeit. Ein klassisches Kunststudium, wie es Heidy Stangenberg- Merck absolvierte, beinhaltet das Malen, Zeichnen, plastische Gestalten des nackten Körpers. Dieses Thema beschäftigte schon die Künstler im antiken Griechenland und hat sich seit jeher kaum geändert. Und so wundert es nicht, dass die Aktstudie mit der reinen Rückenansicht in einem klassischen Kontrapost steht. Das Gewicht ruht dabei auf dem geraden Standbein, das Spielbein ist locker angewinkelt. Dadurch ist das Becken auch leicht verschoben. Diese Modellpose war schon in der Antike bei plastischen Figuren sehr beliebt. In dem Studiengang Aktzeichnen/Aktmalerei eines Kunststudiums werden dem Studenten Berufsmodelle präsentiert, die sich in unterschiedlichen Haltungen und natürlich unbekleidet zeigen. Für eine reine Aktzeichnung z.B. hat man ungefähr eine Stunde Zeit, dann wechselt das Modell die Haltung. Es ist auch für ein Berufsmodell nicht einfach, nur eine einzige Körperhaltung eine Stunde lang zu bewahren. Aber ungleich schwieriger wird es für den Studenten in diesem Zeitraum die Anatomie überzeugend wiederzugeben. Diesen menschlichen Körper nur schon mit einer Bleistiftzeichnung zu erfassen, erfordert ein hohes konzentriertes Augenmaß und auch den Erwerb der Fähigkeit des Schätzens in der Beziehung von Strecken im Aufbau des Körpers. Nicht jedes Aktmodell hat dabei sogenannte „Idealmaße“, aber wenn man sich in vernünftigen Grenzen an einige Werte hält, können Aktstudien doch überzeugend wirken. Eine klassische Aktdarstellung hängt u.a. auch mit der Einhaltung der Proportionen zusammen. Es gibt dabei ein bewährtes System, bei dem in Kopfhöhen gemessen wird. Man geht davon aus, dass die Körpergröße eines Menschen ungefähr acht Kopfhöhen beträgt. Dementsprechend messen die Schulter- und Hüftausdehnung bei einer Frauendarstellung zwei Kopfhöhen in der Breite. Daraus resultiert, dass Schulter- und Hüftbreite sich auf einer senkrecht gezogenen Linie befinden. Die Ellenbogen sind etwa drei Kopfhöhen vom Scheitel entfernt und liegen auch optisch auf gleicher Höhe mit der Taille. Natürlich gehört noch viel mehr Kunstfähigkeit außer der Proportionsbeherrschung zu einer klassischen Aktstudie dazu, wie z.B. auch die gesetzesmäßige Verhaltenstheorie des Körpers in Ruhe und Bewegung, das Ergründen der Konstruktion des Körpers, die Struktur im aufbauendem Zeichnen und die psychisch bedingten Ausdrucksformen so mancher Modellpose. Wenn das Interesse unserer Besucher des virtuellen Museums geweckt wird im Zusammenhang mit einer eigenen Herstellung einer Aktzeichnung, so können Sie sich an die nächste Kunstschule wenden. In unserer unmittelbaren Nachbarschaft bietet sich Darmstadt mit seiner Technischen Universität an. Am Fachbereich Architektur ist eine Gastteilnahme im Aktzeichnen möglich. Für einen geringen Betrag kann man sich neben den Studenten in einer schönen, altersgemischten Runde unter einer hervorragenden Kursleitung im Aktzeichnen an einem Berufsmodell ausprobieren. Vielleicht schätzen Sie danach umso mehr die Aktstudien von Heidy Stangenberg- Merck, die nicht nur von der Anatomie, sondern auch von der Farbgebung her überzeugen. (Ute Lieser) AKTZEICHNUNGEN
War ihr künstlerisches Vorbild auf breiter Basis ihr stets verehrter Lehrer Prof. Hans Gött, so zog es Heidy Stangenberg-Merck noch als Künstlerin in den Reifejahren mit Ausdauer und Hingabe in den an der Akademie unter Anleitung durch den Bildhauer Emil Krieger stattfindenden „Abendakt“. Ohne diesen Anteil an ihrer Ausbildung wäre das ihr vorschwebende Berufsbild eines auf die Gegenständlichkeit gerichteten Bildenden Künstlers wohl nie erreichbar gewesen. In den Jahren 1950-1970 unterrichtete Heidy Stangenberg-Merck in eigener Initiative Auszubildende des Graphischen Gewerbes. Aus dieser Zeit stammt die wie aus einem Guß entstandene, den Studierenden als Beispiel nahegebrachte Serie von Aktzeichnungen. (Karl Stangenberg) Kunstdrucke dieser Aktzeichnungen sind im Artificium erhältlich. Es gibt zwei unterschiedliche, auf 50 Exemplare limitierte Editionen.
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AutorenYvonne Weber-Sturm Archiv
Januar 2021
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