Heute möchte wir Ihnen ein Werk Heidy Stangenberg-Mercks vorstellen, das auf einen wichtigen Meister des 20. Jahrhunderts verweist, nämlich auf keinen Geringeren als Henri Matisse (1869-1954).
Es ist in der Kunstgeschichte wahrlich typisch, dass bevorzugte Motive von der Lehrer- zur Schülergeneration weitergegeben werden. So ist es auch bei den Badenden der Fall: Vorbild standen hier die Werke von Henri Matisse, die das Thema der badenden Frauen aufgreifen, wie bspw. Badende mit Schildkröte aus dem Jahr 1908. In Kontakt mit diesen Werken kam Heidy Stangenberg-Merck durch Hans Gött (1883-1974), ihrem Professor für Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in München. Hans Gött studierte circa ein Jahr lang von 1908 bis 1909 an der Académie Matisse in Paris und kam dort direkt mit dem Meister selbst und seiner Kunst in Berührung. Die Inspiration, die Matisse auf seine Schüler ausübte, ist in vielen Werken ebendieser zu erkennen, wie beispielwiese bei Hans Purrmann, Oskar Moll oder auch bei August Macke, einem Künstlerkollegen von Matisse, der so begeistert von dessen Stil war, dass er sich in einigen seiner Werke stark an Matisses Personalstil orientierte. Diese Faszination übte Matisse auch auf Hans Gött aus, denn auch dieser lehrte seinen Schülern, die beim großen Meister kennengelernten und favorisierten Motive, darunter das der Badenden. Interessant hierbei ist, dass Matisse selbst dieses Motiv von seinem großen Vorbild Paul Cézanne, welchen er jedoch nie persönlich kennengelernt hatte, übernahm. Cézanne schuf einige Werke, die das Thema der „Badenden“ repräsentieren, darunter das Exponat Die großen Badenden aus dem Jahr 1906, welches sich heute im Museum of Art in Philadelphia befindet. Matisse selbst hatte die typische Schule der französischen Akademie durchlaufen und sich schnell ihrer Fesseln entledigt, da er die strengen Ansichten nicht teilte. Durch seine Gründung der Académie Matisse revolutionierte er das Akademiewesen in Frankreich nachhaltig, da er gleichberechtigt sowohl Frauen, als auch Männern die Teilnahme ermöglichte und keinerlei Unterschiede der Geschlechter machte. Für die damalige Zeit beeindruckend ist die Frauenquote von circa 30%. Viele seiner Schüler waren deutsche Künstler, so wie auch Hans Gött. Den nachhaltigen Einfluss und die künstlerische Linie der Bildmotivik lassen sich also von Paul Cézanne über dessen Bewunderer Henri Matisse, über den Matisse-Schüler Hans Gött, bis zur Gött-Studentin Heidy Stangenberg-Merck ziehen. Ein weiterer Aspekt dieses Exponats ist der auf der linken Bildhälfte eingearbeitete Rückenakt, ein Motiv, das Heidy Stangenberg-Merck mehrfach prominent in ihrem Œuvre verarbeitete und welches einerseits auf ihren Zeichenlehrer Adolf Schinnerer zurückzuführen ist, weiterhin aber auch wieder auf Matisse verweist, der in seinem Spätwerk einen künstlerischen Fokus auf dieses Motiv legte, beispielsweise gut zu erkennen in seinen Monumentalbronzen mit dem Titel Nu de dos I-IV, die in den Jahren 1909-1930 entstanden sind. Isabella Schnürle
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AutorenYvonne Weber-Sturm Archiv
Januar 2021
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