Dieser Rückenakt Heidy Stangenberg-Mercks lässt sofort das große künstlerische Vorbild dieses Motivs erkennen: Wilhelm Trübner (1851-1917). Der bekannte Maler Wilhelm Trübner wurde selbst durch keinen Geringeren als Anselm Feuerbach ermutigt, bildender Künstler zu werden. Weiterhin beeinflusst wurde Trübners Werk durch die Künstler des Realismus Gustave Courbet und Wilhelm Leibl. Trübner teilte sich ein Studio mit Hans Thoma und war befreundet mit Max Liebermann, Lovis Corinth sowie Max Slevogt, was beweist, dass er nicht nur zu namenhaften Künstlern der Zeit Kontakt hatte, sondern auch zu ihnen gezählt wird. Bekannt wurde er zu Lebzeiten nicht nur als Professor am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt, sondern auch durch seine Kunstsammlung, in die er sowohl Werke der eben genannten Künstler, als auch Exponate alter Meister wie Lucas Cranach d.Ä. integrierte. Nach der Frankfurter Zeit nahm Trübner eine Professur an der Karlsruher Kunstakademie an und wurde bald auch deren Direktor. In dieser Zeit unterrichtete er Adolf Schinnerer (1867-1949). Schinnerer, geprägt vom französischen Impressionismus, legte seinen künstlerischen Fokus auf die Aktmalerei, welche er auch später selbst in seiner Funktion als Professor der Radier- und Zeichenklasse der Akademie der Bildenden Künste in München unterrichtete. Zu seinen Studentinnen gehörte Heidy Stangenberg-Merck. Auch bei dem heute präsentierten Werk lässt sich eine künstlerische Linie des Bildmotivs erkennen: Wilhelm Trübner, der bekannt für seine ausdruckstarken Rückenakte ist, lehrte die Aktmalerei seinen Studenten, darunter Adolf Schinnerer. Dieser wiederum lehrte schwerpunktmäßig die Aktmalerei und legte somit seiner Studentin Heidy Stangenberg-Merck das Aktzeichnen und auch die besondere Bevorzugung des Rückenaktes nahe. Vergleicht man die Rückenakte von Stangenberg-Merck mit denen Trübners, so lassen sich sowohl eindeutige kompositorische Gemeinsamkeiten, als auch die Affinität beider zu gleicher Farbigkeit erkennen. Fundamentieren lässt sich diese Beobachtung, da der Rückenakt zu Studienzeiten der Künstlerin entstanden ist, in der sie aktiven Kontakt zu Adolf Schinnerer pflegte. Weiteren Einfluss nahm auch hier das Œuvre von Henri Matisse, der einen Fokus auf das Motiv des Rückenaktes legte und durch seinen Schüler Hans Gött, der spätere Professor Heidy Stangenberg-Mercks, maßgeblich diese von der Künstlerin gewählte Motivik beeinflusste. Ein weiteres Detail dieses Bildes ist die beidseitig bemalte Leinwand. Ein Phänomen, das man u.a. vom bekannten deutschen Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner kennt. Beide Künstler hatten hier dieselbe Intention der doppelseitigen Bemalung, bei Kirchner ist dies auf die Zeit des Ersten Weltkrieges, bei Stangenberg-Merck auf die Zeit des Zweiten Weltkrieg zurückzuführen: In Kriegszeiten war es für Künstler äußerst schwer an Materialien wie Leinwand, Farbe, Pinsel etc. zu gelangen, teilweise konnte man sein Arbeitsmaterial überhaupt nicht beschaffen, da in dieser Zeit die staatlichen Prioritäten anders gesetzt wurden. Dies schmälerte selbstverständlich nicht den Drang der Künstlerinnen und Künstler weiterhin kunstschaffend zu wirken. Deshalb behalf man sich in dieser Situation und begann die Leinwände beidseitig zu bemalen. Dies trat zu jeglichen Kriegs- und Nachkriegszeiten aufgrund des Materialmangels auf und ist ein weiteres Phänomen im Œuvre unserer Künstlerin Heidy Stangenberg-Merck. Isabella Schnürle
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AutorenYvonne Weber-Sturm Archiv
April 2021
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