virtuelles Museum Stangenberg Merck
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78. Tag: Studieren in München mitten im Krieg

3/1/2021

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Von 1839 bis 1919 blieb Frauen über mehrere Generationen hinweg der Zugang zur Münchner Kunstakademie versperrt, unabhängig davon, wie talentiert oder entschlossen sie waren, Künstlerin zu werden. Erst ab 1920 waren dort Frauen wieder zugelassen. Nachdem die künstlerische Ausbildung ihrer Mutter Marietta Merck ab 1915 noch „nicht-akademisch“ bei Bildhauern und Zeichenschulen erfolgten musste, war die Zulassung an der Akademie für Tochter Heidy ein erklärtes Ziel.
Im Wintersemester 1943 / 1944, also mitten im 2. Weltkrieg,  konnte Heidy Kannengießer-Merck ihr Studium an der Akademie der bildenden Künste in München beginnen und zog von Jugenheim nach München und damit eigentlich vermehrt ins Kriegsgeschehen.
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Ihre erste Münchener Unterkunft fand Heidy in der Pension Liesecke im 3.Stock der Widenmayerstrasse 6 (das Foto zeigt das Haus in heutigem perfektem Zustand). Hier wohnte auch ihre Freundin, die Musikstudentin Hedy Pütz. Als das Haus bei einem Bombenangriff getroffen wurde, mussten Heidy und die Bewohner im Keller durch den Durchbruch ins Nebenhaus fliehen.

Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs bzw. der Befreiung Münchens am 30. April 1945 sind bei insgesamt 74 Luftangriffen auf München 6.632 Menschen ums Leben gekommen, 15.800 wurden verletzt, 300.000 waren obdachlos, weil 81.500 Wohnungen ganz oder teilweise zerstört worden waren.
Auf das Stadtgebiet wurden rund 450 Luftminen, 61.000 Sprengbomben, 142.000 Flüssigkeitsbrandbomben und 3.316.000 Stabbrandbomben abgeworfen. Hierbei wurden rund 90 % der historischen Münchener Altstadt zerstört. Das gesamte Stadtgebiet wies einen Zerstörungsgrad von rund 50 % auf. 
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Professor Hans Gött, der seine Lehrtätigkeit an der Akademie erst im Juni 1944 aufgenommen hatte, berichtet nach dem Luftangriff vom 13. Juli 1944, das Gebäude sei bis auf die unteren und Keller-Räume total zerstört... Seine Schule, die in einem der oberen Flügel war, habe gleich „lichterloh gebrannt, dabei sind mehrere wertvolle Bücher und Farbdrucke, die ich meinen Jünglingen und Mädchen als Anschauungsunterricht gebracht hatte, verbrannt“.
Dem Buch „Hans Gött“ entnehmen wir, dass erst im August 1946 der Lehrbetrieb notdürftig im Schloß Haimhausen (im Landkreis Dachau) wieder aufgenommen werden konnte (bis 1949). Gött unterrichtete seine Studenten bis dahin in seinem Atelier. (Quelle: Hans Gött: 1883-1974. Leben und Werk, von von Werner Zinkand und Nina Raffalt, Verlag C.H. Beck, ISBN 3-406-39998-3)
 
Insgesamt elf Semerster studierte Heidy Kannengießer-Merck in München. Die ersten beiden Semester war sie bei Professor Adolf Schinnerer (der bereits 1947 in Ruhestand ging), ab 1946 neun Semester bei Professor Hans Gött (er unterrichtete von 1944 bis 1952 an der Münchner Kunstakademie) und ein Semester bei Prof. Dr. Ritter von Lanz, der plastische Anatomie lehrte.

Aus den ersten Jahren sind uns einige Werke erhalten.
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Thema „Am Fluss“ (bei Schinnerer), 1943
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Thema „Flucht“ (bei Schinnerer), 1944
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„Zirkus“, 1944
Die Kriegszeiten waren hart und vieles musste improvisiert werden.

Für den sogenannten “Normalversorgungsberechtigten” gibt es im April 1945 pro Woche folgende Lebensmittelzuteilung: 1700 Gramm Brot, 250 Gramm Fleisch, 125 Gramm Fett, 75 Gramm Nährmittel, 125 Gramm Zucker (oder Marmelade in doppelter Menge). Dazu gibt es bis hierhin alle drei Wochen 62,5 Gramm Käse, 125 Gramm Topfen und 100 Gramm Kaffee-Ersatz. Und es sollte in den nächsten Monaten noch weniger werden!
 
Nicht nur das Essen, sondern auch die Materialien wie Farbe und Untergründe waren knapp und so wurde auf allen Untergründen gearbeitet – Leinwand, Sackrupfen, Holz, Karton, Papier. Nicht selten bemalte man beide Seiten, wenn gerade kein neuer Malgrund zur Verfügung stand. 
Auch Professor Hans Gött klagte „"Ich habe einen richtigen Terminkalender für die Gesuche um Terpentin, Leinwand, Pinsel, Farben, Spiritus, Schmierseife. Und mit den Gesuchen ist's ja auch nicht getan. Man bekommt dann irgend einen Wisch..., damit muß man an eine andere Stelle gehen oder schreiben um dann den endgültigen Bezugs-Berechtigungssschein zu bekommen, und dann muß man sehen, ob man das Zeug auch zu kaufen kriegt." (Quelle: Hans Gött: 1883-1974. Leben und Werk, von von Werner Zinkand und Nina Raffalt, Verlag C.H. Beck)

Von August 1946 bis 1948 bewohnte Heidy ein Zimmer „mit Familienschluss“ bei Familie Schmidt in der Herkomerstr. 6, ab 1948 teilte sie sich mit ihrer Freundin und Akademie-Kollegin Maria-Theresia („Resai“) Steger eine Art „Notwohnung“ ohne Küche und Bad (beides provisorisch im Vorraum, WC übers Treppenhaus) im 2. Stock der Klenzestrasse 33 am Gärtnerplatz.
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Das Haus Klenzestrasse 33, ca. 1950
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Heidy und Resai beim Kochen
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Kopfstudie in Haimhausen, 1946
Heidy Kannengießer-Merck war bis zum Wintersemester 1950/1951 an der Akademie eingeschrieben.
Mit Professor Gött entwickelte sich eine sehr intensive und anregende Arbeitsbeziehung, die, genährt vom großen Interesse für Kunst und Musik, weit über die Studienzeit hinaus lebenslang anhielt.
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Ihr „Studio für Zeichnen und Malen“ eröffnete Heidy Kannengießer-Merck 1951 (1956 nach Heirat mit Karl Stangenberg unter ihrem neuen Namen Heidy Stangenberg-Merck),. Neben den Bildverkäufen war der Unterricht ihre zweite Einnahmequelle und es erfüllte sie mit Stolz, dass in zwei Jahrzehnten viele gute Künstler daraus hervorgingen.

Daniela Walther
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Bei der Visitenkarte handelt es sich um einen späteren Nachdruck,  denn die ersten Jahre (bis 1956) lautete der Name noch „Heidy Kannengießer-Merck"
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    Leiterin des Museums
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