virtuelles Museum Stangenberg Merck
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85. Tag: Marietta Merck, Die Arnold-Kinder, Rötel, 1944-47

14/1/2021

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Bild
Marietta Merck hat diese Porträtreihe der vier Arnold-Kinder in Rötel gezeichnet. Drei Mädchen und ein Junge sind in Einzelbildnissen und nicht in einem Gruppenbild erfasst. Die Kinder befinden sich in unterschiedlichen Altersstufen: Die zwei ältesten Mädchen sind wohl um die 18 und 16 Jahre alt, der Junge um die 12 Jahre, das Mädchen links unten, das Nesthäkchen, dürfte sich im Grundschulalter befinden.
Es sind reine Kopfporträts, die Oberbekleidung wurde nur minimal in Ansätzen herausgearbeitet. So liegt der Fokus auf dem Gesicht und spiegelt die Persönlichkeit in verkürzter Darstellung wider.
Die drei älteren Geschwister sind jeweils in einem Dreiviertel- Porträt gearbeitet. Das ist die typische natürliche Alltagsansicht, in der wir Menschen sehen. Ein reines Profilbild, also eine reine Seitenansicht, wirkt sehr distanziert. Ein „en face“- Bild, direkt von vorne, wirkt dagegen sehr eindringlich. Und so hat sich Marietta Merck nur das Nesthäkchen herausgesucht, um sie in einer direkten Ansicht von vorne zu porträtieren. Der verträumte Gesichtsausdruck des kleinen Mädchens, sie blickt an der Künstlerin vorbei, passt zu dieser Ansicht und so wird das kleine Mädchen besonders gewürdigt.
Marietta Merck hat zusätzlich zur Auflockerung dieser „en face“ Porträtstudie auch eine Seitneigung des kleinen Mädchenkopfes gewählt; das ganze Achsengerüst des Kopfaufbaus muss sich mitneigen bei dieser Kompositionsansicht. So entwickelt sich eine leichte aufstrebende Diagonallinie bei der Augenachse, in der Verbindung der Nasenlöcher und der Mundwinkel. Diese kompositorischen Diagonallinien bewirken eine Dynamisierung des Bildes.
Jünger als ein Grundschulmädchen kann das jüngste Kind der Familie Arnold auf diesem Bild nicht sein, weil sich auch bei ihr schon die Augenachse als mittige Teilung des Kopfes zeigt. Bei jüngeren Kindern liegt die Augenachse deutlich unter der Mitte zwischen Scheitel und Kinn, da der Hirnschädel noch viel ausgeprägter ist und sich der Zahnwechsel noch nicht auf die Streckung des Unterkiefers ausgewirkt hat. Ansonsten ist es für einen Porträtzeichner eine große Hilfe beim Kopfzeichnen, wenn man um die Tatsache weiß, dass sich bei der Höhengliederung des Kopfes die Augenachse erstaunlicherweise in der Kopfmitte befindet.
Auffällig ist bei dieser Porträtstudie des Nesthäkchens auch der flachere Nasensattel im Vergleich zu ihren Geschwistern, sodass die insgesamt weicheren Gesichtszüge eines jüngeren Kindes hier gut herausgearbeitet werden. Die Plastizität des Gesichtes wird durch einen fein abgestuften Auftrag des Rötelstiftes erzeugt, dadurch ergeben sich eine Licht-Schattenmodulation und eine Körperhaftigkeit.
 
Marietta Merck geht es aber nicht nur eine reine Physiognomiedarstellung ihrer Kinderporträts, sondern auch um die individuellen Personen und damit auch um die   Beseelung, der Durchdringung des Erscheinenden mit seiner Innenwelt.
Diese Porträtstudien berühren den Betrachter. Sie berühren schon durch die Wahl des technischen Realisierungsmittels, der Auswahl und die Sprachfähigkeit des Rötelstiftes. Der Rötelstift trägt mit seinen warmen und hinhuschenden Tönen schon in sich das Stimmungsvolle, Innerliche, Gefühlvolle.
Aber es ist mehr als das, es ist das genaue Beobachten der Kinder. Das behutsame Zeichnen ihrer Gesichtszüge. Gerade diese sehr gezielte Beobachtung enthüllt die Nuancen des fast nicht mehr Sichtbarem.
Dieses  Nahekommen beim Porträtieren von Kindern, das Studieren ihrer individuellen Gesichtszüge ermöglicht auch ein Nahekommen ihrer Seele beim Porträtsitzen,
eine Würdigung ihrer Persönlichkeit. Mit Sicherheit gab es gute Gespräche zwischen Marietta Merck und den Arnoldkindern beim Porträtieren. Die Aufgewecktheit des Jungenblicks, die Verträumtheit, die In-sich-Gekehrtheit des Nesthäkchens, der klare, prägnante Gesichtsausdruck der ältesten Tochter teilen sich dem Betrachter mit.
Marietta Merck hat in ihren Porträts dabei vermieden, nur Kindliches anzusprechen. Sie lässt erahnen, mit welchem Ernst ein junges Dasein bereits verbunden sein kann. Sie spiegelt dies in Nachdenklichkeit. Dazu gehört auch die Betonung der Augen, die bei allen vier Arnold -Kindern besonders gut herausgearbeitet sind in starken Hell-Dunkel- Kontrasten. Sie tragen zur Beseelung bei.  So zielt Marietta Merck nie auf Repräsentationporträts, sondern auf die Wesensart des Menschen, den sie abbildete.
Diese Porträtstudien wurden dem Museum Stangenberg-Merck als Schenkung übergeben. Im 4. Geschoss des Museums sind diese Kinderporträts zwischen weiteren Porträts in unterschiedlichen Techniken zu betrachten. 

​Ute Lieser
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    Autoren

    Yvonne Weber-Sturm
    Leiterin des Museums
    ​Stangenberg Merck

    Karl Stangenberg
    Daniela Walther
    Isabella Schnürle
    Viktoria Hellriegel
    ​Ute Lieser
    ​Dr. Roland Held

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