virtuelles Museum Stangenberg Merck
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98. Tag: Das Blaue Haus

31/1/2021

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„Es war alles Heiterkeit, Natürlichkeit und selbstverständliche Liebe. Das Jugenheimer Paradies!“
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                                                             Helene Christaller in: “Als Mutter ein Kind war – Eine Geschichte aus dem Leben“
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Das Blaue Haus ist eine der vier Eppenetter-Villen in Jugenheim. Carl Eppenetter kam als Schneider aus Paris nach Jugenheim. Als Investor beteiligte er sich an den Villen.
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Die ursprünglich rote Villa wurde nach ihrer Fertigstellung zunächst vermietet und später als Sommerhaus verkauft. Erst im Jahr 1884 wurde der Turm angebaut, der dem Haus seinen einzigartigen Charme verleiht. Aber wie wurde das Blaue Haus denn nun blau?
Diese Geschichte erzählt die Schriftstellerin in ihrem Buch „Als Mutter ein Kind war“:
„Die schlimmen Kriegsjahre waren um; das Enne ließ das Haus neu tapezieren und anstreichen, was es sehr nötig hatte. Trudel und Hans hatten eine leuchtend blaue Farbe für Turm und Veranden gewählt, mit der sich die Mutter nur etwas zögernd befreundete Als es aber dann fertig war und im Frühjahr der Goldregenbaum blühte und sich so wundervoll von dem leuchtenden Blau abhob, während im Herbst die rotgewordenen Blätter der Ampelopsis das Haus schmückten, da gefiel es dem Enne auch, und es gewann das Häuschen in seinem neuen Kleid sehr lieb. Die Freunde und Jugenheimer aber gaben ihm den Namen «Das blaue Haus» Das war aber mehr als nur die Bezeichnung einer Farbe, an den Namen hing sich alles, was Mutterliebe und Kinderfreude bedeutet, Heimatfrieden und Ferienlust, Zuflucht für Kranke und Traurige, Naturverbundenheit mit neuen Säften für in der Stadt Verdorrte, geistiges Menschentum, deutsche Familie, die über Blutsverbundenheit hinausgreift.“
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                                                             Helene Christaller in: “Als Mutter ein Kind war – Eine Geschichte aus dem Leben“
Noch heute ist das Blaue Haus eine Jugenheimer Berühmtheit. Mit seiner markanten Farbe und dem märchenhaften Türmchen sticht es jedem Einwohner und Besucher ins Auge.
„Der Garten war voll Beeren, Johannisbeeren, Stachelbeeren, Himbeeren und Erdbeeren, und alle durften die Enkelkinder schmausen. Die einzigen, die das Enne einmachen konnte, waren die schwarzen Johannisbeeren, denn die mochte niemand, weil sie nach Wanzen schmeckten.“
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                                                              Helene Christaller in: “Als Mutter ein Kind war – Eine Geschichte aus dem Leben“
Helene Christaller beschrieb sich in ihrer Biografie nicht nur als Schriftstellerin und liebende Mutter, sondern auch als Naturfreundin. So ist es keine Überraschung, dass der Garten des Blauen Hauses ein Idyll für die Familie war. Helene Christaller lebte bis zu ihrem Tod im Blauen Haus in Jugenheim. Die Straße wurde nach ihr benannt. 
Viktoria Hellriegel
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97. Tag: Helene Christaller

30/1/2021

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Helene Christaller, 1889
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Buchcover, Helene Christaller: Aus meinem Leben
Das Museum Stangenberg Merck liegt im Helene-Christaller-Weg in Jugenheim. Dieser ist nach der Schriftstellerin benannt, die im Blauen Haus am Anfang des Weges wohnte.
Passend zum Geburtstag der Schriftstellerin erfahren sie heute und morgen mehr zu ihrer Person und dem Blauen Haus.

Helene Christaller (geborene Heyer) wurde am 31.01.1872 in Darmstadt geboren. In ihrer Kindheit und Jugend besuchte sie das Hoffmännische Mädcheninstitut in Darmstadt, eine höhere Mädchenschule, deren Konfirmandenunterricht sie prägte. Im Jahr 1890 heiratete sie den Pfarrer und Schriftsteller Erdmann Gottreich Christaller, mit dem sie mehrere Jahre im Schwarzwald lebte.
1903 zog die Familie Christaller nach Jugenheim. Helene Christaller, mittlerweile Mutter von vier Kindern (Else, Walter, Gertrud, Erika), begann mit dem Umzug nach Jugenheim mit dem erwerbsmäßigen Schreiben. Durch ihre Jugendbücher, Erzählungen und Romane ernährte Helene Christaller ihre Familie. Ihre Bücher erzielten hohe Auflagen, ihr Roman „Gottfried Erdmann und seine Frau“ wurde 28 mal neu aufgelegt.

Helene Christaller beschrieb in ihrer Biographie „Aus meinem Leben“ ihren Werdegang als Schriftstellerin wie folgt:

„Aber erst muss ich erzählen, wie ich zum „Dichten“ kam. Ein bisschen hatte ich es schon als junges Mädchen getan, meist fromme Lyrik; aber dann hatte ich mit den Kinder und Haushalt, Garten und Gemeinde keine Zeit mehr dazu. Aber im Kindergottesdienst erzählte ich zum Schluss stets eine schöne Geschichte, die den Hauptgedanken der Katechese herausarbeiten sollte. Meistens hatte ich sie mir selbst ausgedacht, und da man öfters dieselbe Geschichte wieder hören wollte, die schönsten davon aufgeschrieben. Eines Tages besuchte ein Reisender der Inneren Mission, der auch ein Sonntagsblättchen für Kinder herausgab, den Kindergottesdienst, hörte mir zu, folgte ins Pfarrhaus und trug nach einigem Widerstreben von meiner Seite die in ein Schulheft geschriebenen Geschichten davon.

Ich erhielt sie dann gedruckt und reichlich mit Bibelsprüchen geziert wieder; über letzteres tröstete mich ein anständiges Honorar – das erste selbstverdiente Geld! Herrlich!
Ich hätte mit keinem Koenig getauscht.“
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                                                                                                                     Helene Christaller in: "Aus meinem Leben", 1937
Helene Christaller schrieb vor allem in ihrem Zuhause, im Blauen Haus. Erst nachdem „die Kinder alle das Haus verlassen hatten“, wie sie es in ihrer Biografie beschreibt, packte sie die Reiselust. Zunächst ging sie nach Schweden, wo sie das Buch „Das Reich des Markus Neander“ schrieb und „Verborgenheit“ beendete. Dies sollte ihre einzige Reise in den Norden sein, denn in Zukunft zog es sie in den Süden. In Italien fand sie ihre zweite Heimat. Am Lago Maggiore kaufte sie sich ein Haus und reiste regelmäßig in den Wintermonaten dort hin. 
„Diese Wintermonate sind auch meine beste Arbeitszeit. Der stillere Haushalt erlaubt größere Konzentration, die südliche Sonne löst Blut und Gedanken, die Phantasie treibt Blüten.“
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                                                                                                                     Helene Christaller in: "Aus meinem Leben", 1937
​In Deutschland war ihr Zuhause, das nach ihr benannte, Helene Christaller Haus in Jungenheim. Dort lebte sie zunächst mit ihrem Mann, dann mit ihrer Mutter, dem "Urchen", „in Notzeit“ fanden ihr Sohn und ihre Enkel eine Heimat bei ihr. Ein weiterer Bewohner des Hauses war, wie sie es beschrieb, das liebe, lustige, beinah gehörsame und bildschöne "Brüderchen". Ein goldbrauner Langhaardackel, den die Schriftstellerin zu ihrem 60. Geburtstag von einem Freund und Verleger geschenkt bekam. 
„Freunde machen das Leben reich. Auch mein Leben haben sie geschmückt und begleitet, Männer und Frauen, liebevolle, treue und einfache, bedeutende und anregende, Künstler und Wissenschaftler, und daneben Frauen mit goldenem Gemüt, hilfsbereit, mitfühlend und mittragend, ‚angenehm um einen herum.‘“​
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                                                                                                                     Helene Christaller in: "Aus meinem Leben", 1937
Helene Christaller verstarb 1953 in Jugenheim. 

Auch ihre Enkelin Katja Christaller, geboren 1925, war in Jugenheim beheimatet und spielte als Kind mit Heidy Stangenberg-Merck (Jahrgang 1922). Ihre Freundschaft hielt ein Leben lang; auch der ein oder andere Urlaub wurde zusammen verbracht. Katja Christaller, später Katja Stehli-Christaller machte als Dichterin auf sich aufmerksam. Im Artificium wird ihre Gedichtsammlung "Schattenstufen" verkauft.
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links: ca. 1932: rechts außen Katja Christaller, neben ihr Heidy Merck; rechts: "Schattenstufen"
Viktoria Hellriegel
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96. Tag: Neue Freiheit - Ein Kabinettstück der vertonten Dichtung

29/1/2021

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Die 2016 erschienene CD „Neue Freiheit“ erweitert das Musikangebot des Artificiums.

Für diese CD haben sich der Dichter und Musiker Karl Stangenberg und der Multi-Instrumentalist Harry Kulzer zusammengetan.

Harry Kulzer, geboren 1959 in München, besuchte neben seiner Schulausbildung die Sing- und Musikschule des Richard-Strauss Konservatoriums in München. Von 1965 bis 1979 ergänzten Privatlehrer seine musikalische Ausbildung. Seit 1979 ist er freischaffender Komponist, Produzent und Musiker mit eigenem Tonstudio, Musikverlag und Label.
Bekannt ist er auch als Sänger und Pianist der Band „Table for Two“, als Gründungsmitglied der Band „United Balls“ und als einer der Komponisten der „Sendung mit der Maus“.

Stangenberg und Kulzer haben bereits in der Vergangenheit zusammengearbeitet: Die CD „Aus dem Leben“ wird bespielt von 58 Gedichten, geschrieben und gelesen von Karl Stangenberg, musikalisch ausgestaltet von Harry Kulzer.
Stangenbergs Gedichte haben Kulzer tief berührt und ihn dazu angeregt, 12 von ihnen einen völlig neuen musikalischen Rahmen zu geben. So vertonte er die Dichtung auf seine Weise und verleiht den Texten fast schon einen „Ohrwurmcharakter“.
 
Die CD „Neue Freiheit“ besteht aus 12 Liedern mit einer Gesamtlänge von 45 Minuten.
Die Texte Karl Stangenbergs verleiten zum Nachdenken, sie erzählen trotz ihrer Kürze berührende Geschichten, die durch die musikalische Interpretation Kulzers erlebbar werden.
Der CD liegt ein Booklet bei, welches die Gedichte beinhaltet.


„Neue Freiheit“ ist ein faszinierendes Projekt zweier Vollblutkünstler. Die CD ist im Museumsshop „Artificium“ erhältlich für 15.-€ (ggf. zzgl. Versandkosten)
Bestellen Sie gerne online, per Mail an mail@museum-jugenheim.de.
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95. Tag: Auf der Straße, Öl, 1957

28/1/2021

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Das hochformatige Ölbild „Auf der Straße“ von Heidy Stangenberg-Merck aus dem Jahr 1957 zeigt eine Abendstimmung im städtischen Raum.
Im Vordergrund links ist ein schmaler laubloser Baum mit kargem Geäst zu sehen, der sich durch seine dunkle Farbgebung stark konstrastierend vom helleren Hintergrund abhebt. Er gibt Auskunft über die Jahreszeit, in der die Szene spielt, es handelt sich um eine Winterdarstellung.
Einen weiteren Hinweis auf die kalte Jahreszeit erhält der Betrachter durch die Kleidung der abgebildeten Personen. Im Mittelgrund bewegen sich vier in Mäntel gekleidete Personen auf dem grauen Bürgersteig: Das zentrale Personenpaar bilden eine Frau im leuchtend blauen Mantel mit roten Revers und ein Mann in Mantel und mit Hut, der sich hinter ihr im Schatten befindet und in dunklen Farbtönen nur als Silhouette wahrgenommen werden kann. Rechts hinter dem Paar befinden sich zwei Frauen vor einem Schaufenster eines Geschäfts, die linke in einem orangenen Mantel mit rotem Rock, die Person rechts gänzlich braun gekleidet.
Den Hintergrund bildet ein grau-braunes Stadthaus; es füllt die oberen zwei Drittel des Bildraumes aus. Die große Fronttür und ein hohes Schaufenster weisen auf die Nutzung des ebenerdigen Hausteils als gewerbliches Geschäft hin. Hier befindet sich auch die Lichtquelle der Szenerie: Durch die große geöffnete Eingangstür und das Schaufenster wird der davor liegende Bürgersteig erhellt und macht die Pflasterung sichtbar. Schemenhaft sind im Gebäude weitere Personen zu erkennen: zwei betreten gerade das Geschäft, zwei weitere halten sich im linken Teil des Ladens auf.
Am linken Bildrand ist ein nach hinten versetztes, blaues Gebäude angeschnitten, durch dessen Fenster Lichtausfall auszumachen ist.

Heidy Stangenberg-Merck verzichtete bei diesem Bild wie bei vielen anderen auf Einzelheiten, die für die Erzählung ihrer Szenerie unwichtig wären: Der Betrachter erkennt keine Gesichter, keine genaue Ausstaffierung der Personen, keine Auslage im Schaufenster, architektonische Details werden nur rudimentär angedeutet. Es gelingt ihr, allein durch die Farbwahl und Farbkomposition die von ihr beabsichtigte Stimmung zu transportieren: ein kalter, dunkler Winterabend in der Stadt - es ist zwar schon dunkel, aber die Geschäfte haben noch geöffnet - den ihre Einwohner zum Schaufensterbummel nutzen, solange noch ein wenig künstliches Licht vorhanden ist. Bäume tragen kein Laub und ragen befremdlich-grotesk in die Höhe, die Farben der Stadt sind dunkel, zurückhaltend und monoton. Die farbige Kleidung der Flaneure und das Gelb der austretenden künstlichen Bleuchung des Ladens unterbrechen die Stimmung des langen kalten Abends: Farbtupfen, die die Tristesse bekämpfen.

​Yvonne Weber-Sturm
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94. Tag: Die amorginische Berglandschaft

27/1/2021

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Felsen, Öl, 1999
Auch wenn Griechenland eigentlich berühmt für seine Inseln und Strände ist, so ist es doch das drittgebirgigste Land Europas; 60% der Landmasse besteht aus Gebirge.
Auch die Insel Amorgos, die Wahlheimat von Heidy Stangenberg-Merck, säumen viele Hügel und Täler; Der Osten ist felsig, während der Westen weniger zerklüftet ist. Der höchste Berg der Kykladeninsel ist Krikelos mit 821 Metern, von dem man bei klarem Wetter eine wunderbare Sicht auf die Ägäis hat.
Verschlungene Wege führen vorbei an Kapellen, steinernen Windmühlen und traditionellen Dörfern. Auch das Kloster Hozoviotissa, eine der wichtigsten historischen Stätten des gesamten Archipels, liegt eingebettet in die schroffe Felslandschaft. Zahlreiche Eselpfade führen durch die wilde Berglandschaft der Insel Amorgos und verbinden jedes Dorf mit dem nächsten, weswegen die Insel auch sehr beliebt bei Wanderern ist.
Wie in vielen Bergdörfern auf den griechischen Inseln sind die meisten Einwohner eher ältere Menschen, da die Jungen in die großen Städte oder Küstenorte abwanderten. Dies ist auch der Fall auf Amorgos im Hauptort der Insel, der im Bergigen gelegenen Chora - nur der Tourismus hält das Bergdorf vor allen in den Sommermonaten lebendig.
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Heidy Stangenberg-Merck bewanderte ihre Insel Amorgos gerne und oft und hielt in unterschiedlichen Techniken die karge, schroffe Landschaft ihrer Insel Amorgos fest. 

​Yvonne Weber-Sturm
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v.l.n.r.: Amorginische Berge, Öl, 1967; Berglandschaft mit Ställen/Amorgos, Tempera, 1979
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Berglandschaft Amorgos, Tempera, 1979
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v.l.n.r.: Chora/Amorgos, Tusche, 1973; Chora/Amorgos, Bleistift, 1980
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Landschaft/Amorgos, Bleistift, 1980
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v.l.n.r.: Platz in der Chora, Tempera, 1987; Gasse in der Chora, Tempera, 1988
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93. Tag: Portrait Reimund, Öl, 1956

24/1/2021

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Die Entwicklung des Portraits bei Heidy Stangenberg-Merck -  Die 1950er Jahre

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Ein weiteres Bild der Reihe Die Entwicklung des Portraits bei Heidy Stangenberg Merck stellt das Exponat Portrait Reimund aus dem Jahr 1956 dar.
Stangenberg-Merck, immer noch dem Œuvre Kokoschkas nachsinnend, schuf hier ein Kinderportrait. Bei wem es sich um Reimund handelt ist nicht bekannt. Die Künstlerin stellt das Kind jedoch mit sehr ernster Miene dar und im Gegensatz zu den anderen bisher vorgestellten Portraits, die alle die Dominanz einer warmen Farbpalette aufweisen, dominiert hier eine sehr kühle, metallisch wirkende Farbigkeit. Eine vergleichbare Verwendung solch einer Farbigkeit in der Kunstgeschichte, ist allein zur Zeit der Neuen Sachlichkeit zu finden.
Die Künstlerin stellte den Jungen hier im Schulterstück dar. Im Gegensatz zu ihrem sehr dynamischen Selbstportrait, wirkt der Portraitierte hier stillsitzend und regungslos, etwas, das für ein Kind diesen Alters eher untypisch erscheint. Die Tatsache, dass Künstler mit Portraits auch den Charakter der abgebildeten Person darstellen wollen, scheint hier von Stangenberg-Merck in anschaulich umgesetzt worden zu sein. Der Knabe erscheint kühl und distanziert, er blickt den Betrachter nicht an, sondern scheint mit leerem Blick an diesem vorbeizuschauen. Das Inkarnat ist nicht, wie bei den bisher präsentierten Bildnissen, in rosé-dominierter Farbigkeit gestaltet, sondern grünlich-gelb gearbeitet. Auch dies ist ein typisches Merkmal der Malerei im Stile der Neuen Sachlichkeit. Die Neue Sachlichkeit ist eine Stilrichtung, die sich nach dem Ersten Weltkrieg etablierte. Sie verlangt die reine, naturalistisch, nicht verschönte und nicht idealisierte Darstellung der Welt. Der vorkriegszeitliche Expressionismus mit aller Dynamik und Farbigkeit scheint den Künstlern der Neuen Sachlichkeit nach den Folgen des Krieges unangebracht, sie wollen die nachkriegszeitliche Realität abbilden. Führend hier ist der Künstler Otto Dix, der beispielsweise mit seinem Werk Streichholzhändler II (1927), heute kuratiert in der Kunsthalle Mannheim, dem Betrachter einen kleinen Jungen im Ganzkörperportrait präsentiert, der mit ärmlicher Kleidung und grün-gelblich dominierenden Farbigkeit abgebildet ist. Das Grün und Gelb ist nicht nur ausdrucksstark im Inkarnat zu erkennen, sondern scheint wie ein Schleier das komplette Werk zu überziehen. Dieses Stilmittel wendet Dix für die Mehrheit seiner Portraits an, um die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das Schicksal der abgebildeten Personen zu lenken und den Rezipienten somit auch auf die gesellschaftlichen Missstände der Zeit aufmerksam zu machen und zwar nicht nur durch die Wahl des Bildthemas, sondern auch durch die Art der stilistischen und formalen Gestaltung. 
Eine ähnliche, allerdings nicht so drastische Wirkung hat auch das Werk unserer Künstlerin auf den Betrachter. Zum einen auf den Rezipienten wirksam durch das gelblich-grüne Inkarnat, aber weiterhin wirkungsvoll durch den gelb-grün-Schleier, der auch hier das komplette Exponat zu überziehen scheint. Der Fokus liegt hier zusätzlich auf der monochromen Hintergrundgestaltung, die erkennen lässt, dass erst die Farbe Gelb auf die Fläche und dann das Grün appliziert wurde um die gewünschte Farbwirkung zu erzielen. Es lässt vermuten, dass Stangenberg-Merck hier auf die Geschichte des Kindes verweisen will, das wahrscheinlich noch zu Kriegszeiten geboren wurde. Damit zeigt dieses Werk im Besonderen die tiefgründige und beseelte Arbeitsweise der Künstlerin Heidy Stangenberg-Merck.
 
Isabella Schnürle 
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92. Tag: Selbstbildnis mit rosa Hintergrund, Öl, 1954

23/1/2021

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Die Entwicklung des Portraits bei Heidy Stangenberg-Merck -  Die 1950er Jahre

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In den Beiträgen des virtuellen Museums von Tag 87 und 88 wurden bereits zwei Portraits aus den 1940er Jahren vorgestellt. Nun sollen in folgenden in zwei weiteren Artikeln zwei Portraits aus den 1950er Jahren näher beleuchtet werden. Bei dem ersten handelt es sich um ein Exponat mit dem Titel Selbstbildnis mit rosa Hintergrund aus dem Jahr 1954.
 
Nachdem Heidy Stangenberg Merck im Jahr 1954 an der Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg, die sogenannte Schule des Sehens, gegründet und geleitet von Oskar Kokoschka, teilgenommen hatte, befasste sie sich folgend eingehend mit dem Œuvre Kokoschkas. Dieser hatte sich in diversen künstlerischen Schaffensphasen mit der Thematik der Portraitmalerei intensiv auseinandergesetzt und legte somit hierauf auch einen besonderen Fokus im Rahmen seiner Lehrtätigkeit.
In diesem Werk sind gleich zwei Seltenheiten im Œuvre unserer Künstlerin zu finden: Stangenberg-Merck schafft hier einmal eines ihren seltenen Selbstportraits, weiterhin wählt sie als dominante Hintergrundfarbe den Farbton Rosa. Diese Farbigkeit findet sich auch immer wieder, mal mehr, mal weniger dominierend im Werk Kokoschkas. Da das Rosa in solcher Vehemenz bei der Künstlerin vorher nicht verwendet wird, ist der Einfluss aus der Sommerakademie, die Stangenberg-Merck im selben Jahr besuchte, in dem auch dieses Selbstportrait entstand, nachvollziehbar. Weiterhin ist Kokoschka ein Meister des Selbstportraits, es ist zwar keine genaue Anzahl seiner Selbstbildnisse bekannt, da er diese nicht nur in Öl, sondern auch in Aquarell und Bleistift ausführte, aber mindestens 30 Selbstportraits allein in Öl sind in der Kunstwelt geläufig.
 
Das Selbstbildnis Heidy Stangenberg-Mercks wirkt durch die leichte Drehung des Kopfes, der dieser Drehung folgenden Bewegung der Haare und der gegensätzlichen Schulterneigung sehr dynamisch. Es wirkt, als sei die Künstlerin aktiv in Bewegung dargestellt. Dies ist bei Künstlerselbstportraits eher selten zu finden. Meist bilden sich die Künstler mit Attributen wir Pinsel, Staffelei oder Palette ab, in der Mitte des 20. Jahrhunderts auch gerne im Anzug, um ihren gesellschaftlichen Stand zu verdeutlichen, wie etwa Max Slevogt oder Max Liebermann. Auch hier scheint sich Stangenberg-Merck an Kokoschkas Interpretation des Künstlerselbstbildnisses zu orientieren, denn auch er präsentiert sich in diesen stets in einer Schulterstück-Komposition, oft wirkt er durch sein dynamische Fabrmodellierung in Bewegung.
Auch hier ist also wieder der aktive Einfluss der Lehrer unserer Künstlerin sichtbar, die bewusst oder unbewusst prägende Elemente der Stile in ihr Werk integriert hat, aber nichtsdestotrotz ihre ganz persönliche Interpretation geschaffen hat.
 
Isabella Schnürle 
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91. Tag: Dorf an der Bergstraße, Öl, 1959

22/1/2021

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Als „Toskana Deutschlands“ wird die südhessische Bergstraße oft tituliert, wie sie vielleicht bereits die Römer gesehen haben, die vor 2000 Jahren die ersten Reben pflanzten; Und auch Kaiser Joseph II. sagte nach seiner Krönung in Frankfurt bei einer Fahrt entlang der Bergstraße „Hier fängt Deutschland an, Italien zu werden“. Die Landschaft, die eine der wärmsten Deutschlands ist, wo Feigen-, Öl- und Mandelbäume gedeihen und der Frühling als erstes in die Republik einzieht, ist geprägt von der namensgebenden Hügelkette, die von Darmstadt bis nach Heidelberg verläuft. Romantische Altstadtgassen durch mittelalterliche Fachwerkorte, idyllische Plätze, Burgen, Klöster und Kirchen bestimmen die Kulturregion.

Heidy Stangenberg-Merck wuchs in Seeheim-Jugenheim auf, bevor sie nach München zum Kunststudium aufbrach. Ihre erste Heimat war die Bergstraße – die sie auch immer mal wieder auf Papier oder Leinwand festhielt.
Das vorliegende Ölbild von 1959 zeigt von der Ebene aus betrachtet die Hügelkette der Bergstraße. Im Vordergrund führt ein Weg zwei Spaziergänger durch baumgesäumte Felder, im Mittelgrund ist von Häusern umringt ein Kirchenturm auszumachen, der am Fuß der Erhebung schmal in die Höhe ragt. Die obere Bildhälfte ist bestimmt durch die Hügellandschaft mit grün-beigen Flächen, die Hügelkuppen setzen sich dunkel vom hellblauen Himmel mit weiß-grauen Schleierwolken ab. Auf dem höchsten Hügel deutet die Künstlerin ein helles Bauwerk ab.

Welcher Ort an der Bergstraße wird hier abgebildet?
Wenn Sie die Lösung wissen, schreiben Sie uns eine Email an mail@museum-jugenheim.de.
Die erste korrekte Antwort beschert dem Gewinner eine kleine Überraschung.
Viel Glück! 

​Yvonne Weber-Sturm
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90. Tag: Susanne Altzweig Teil 2

21/1/2021

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Augenschmaus Teil 2! Susanne Altzweig haben wir bereits am 07.01.2020 mit unserem 80sten Beitrag thematisiert, siehe hier: 
Susanne Altzweig

​Nicht vorenthalten wollen wir Ihnen aber neue Werke der Keramikkünstlerin. Es sind Arbeiten aus den letzten zwei Jahren, Unikatstücke, die sie diesmal nicht wie sonst bei ihr geläufig, aus Platten, sondern frei aufgebaut per Wulst-Technik entstanden sind. 
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Für diese Arbeiten verwendete sie Westerwälder Steinzeugton, der bei 1220 Grad gebrannt wird. Die Oberfläche ist mit mehrschichtigem Engobeauftrag (eingefärbtem flüssigen Ton) bemalt und teilweise mit Glasurpartien betont.
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Die Keramik „Dreigleichen“ besteht aus drei Körpern, die verschiedenartig gestaltet wurden.
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Andere Arbeiten aus den letzten zwei Jahren sind ebenfalls frei aufgebaut, formal in klassischem amphorenartigen Ausdruck, auch hier durch mehrschichtigen Auftrag entstandene Oberflächen.

Übrigens: Susanne Altzweig ist auch auf Instagram. Wer ein bisschen Farbe in sein Leben holen will, ist bei Susanne Altzweig bestens aufgehoben!

​Yvonne Weber-Sturm
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Fotos: Susanne Altzweig
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89. Tag: Toscana, Öl, 1951

20/1/2021

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Das Ölbild „Toscana“ von 1951 zeigt eine gewundene Straße durch ein italienisches Dorf am Fuß eines Hügels. Im Vorder- und Mittelgrund stehen die einzelnen Häuser in unterschiedlichen Abständen entlang des Wegs und werden von Pinien und Zypressen gesäumt. Kleinere Felder, niedrig bepflanzt oder mit Olivenbäumen bestückt, in unterscheidlichen Grüntönen ergänzen das Gesamtbild. Während im Vordergrund noch architektonische Details angedeutet werden, werden diese im Mittelgrund undeutlicher und verschwommener; Am Kopf des Hügels sind einzelne Bauwerke nur noch schemenhaft zu erkennen. Am oberen Bildrand ist ein schmaler Streifen des türkisfarbenen Himmels zu sehen.

1951 unternahm Heidy Stangenberg-Merck zu Studienzwecken eine Rundreise durch Italien. Hierzu wurde sie von ihrem Lehrer Hans Gött angeregt, der sie auch an der Akademie für diese Studienreise empfahl. In ihrem Werk finden sich zahlreiche Skizzen von vor allem römischen und toskanischen Ansichten aus dem Jahr 1951, aber auch einige ausgearbeitete Bilder in Tempera und Öl, die italienische Landschaften zeigen. Unter diesen Arbeiten befindet sich auch das vorliegende Bild, das auf stark gekörnter Leinwand und mit pastosem Farbauftrag angefertigt wurde. Die Farbwahl beschränkt sich auf verschiedene Grüntöne, von Lindgrün über Olivgrün bis hin zu Dunkelgrün, unterscheidliche Weißstufen, einige Rot- und wenige Blautöne. Die Malerin zeigt die typische toskanische Kulturlandschaft mit gewundenen Straßen, die durch kleine Ortschaften entlang von Feldern, sanft den Hügel hinauf und wieder hinunter führen. Weit ausladende Pinien, schlanke Säulenzypressen und Olivenhaine repräsentieren den einzigen Baumbestand in der sommerlichen Landschaft, irgendwo zwischen Florenz und Siena.

Die Bereisung der historisch und kunstgeschichtlich bedeutsamen Region ließ die Künstlerin wie viele Künstler vor ihr nicht nur das Skizzenbuch füllen; Vielmehr erfuhr sie die Architektur und Kunstschätze der „Wiege der Renaissance“, wie etwa in den Uffizien oder den mittelalterlichen Städten wie San Gimigniano und Siena, in persönlicher Anwesenheit und konnte so ihr Kunstverständnis erweitern.

​Yvonne Weber-Sturm
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    Yvonne Weber-Sturm
    Leiterin des Museums
    ​Stangenberg Merck

    Karl Stangenberg
    Daniela Walther
    Isabella Schnürle
    Viktoria Hellriegel
    ​Ute Lieser
    ​Dr. Roland Held

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